100 km Langstreckenwanderung in 24h

 Als Sportler sucht man sich gelegentlich Herausforderungen um einfach mal seine Grenzen zu erfahren. Letztmalig schaffte ich dies 2018 mit meinem erfolgreichen Marathonlauf. Dieses Jahr reifte dann der Entschluss die Challenge 100km Langstreckenwandern in 24 Stunden anzugehen. Nachdem der Termin bei mir und meinen 2 Begleiterinnen passte, meldeten wir uns im März für die Saalehorizontale in Jena an. Nach 3 Tagen waren tatsächlich alle 1.000 Startplätze ausgebucht.

Nach normalen Wandertouren, der Zugspitzbesteigung und der Alpenüberquerung in den letzten Jahren, testete ich wenigstens im März im Schneetreiben mit einer Freundin die Distanz von 50 Kilometern. Blasen gab es zwar da schon, aber muskulär oder orthopädisch waren keine Probleme erkennbar.

Und im Nu war es Anfang Juni und wir saßen Freitagabend auf dem Gelände der Universität Jena. Während Mega- bzw. Mammutmärsche erst in den letzten Jahren boomen, gibt es die Langstreckenwanderung in Jena schon seit 35 Jahren. Dieses Event überzeugte mit einem gutem Preisleistungsverhältnis, denn es wird vom Unisport Jena organisiert. Für 38 Euro ein 24 Stundenevent und für 15 Euro das T-Shirt ist in der heutigen Zeit mehr als fair.

Größter Nachteil hinsichtlich der Machbarkeit der Challenge, sind die zusätzlichen 2.500 Höhenmeter auf der Saalehorizontale. Vergleichbare Veranstaltung weisen da deutlich flachere Profile auf. Aber eine zusätzliche Besteigung der Zugspitze sollte doch in 24 Stunden auch noch drin sein.

Die äußeren Verhältnisse dagegen waren optimal. Kein Regen in Sicht, keine nassen Wiesen, etwas kühlere Nächte und noch nicht die ganz große Hitze am Tag. So konnten wir die Regen- bzw. Softshelljacke zu Hause lassen, was sich positiv auf das Rucksackgewicht auswirkte.

Auf dem Marsch
Vor dem Start

Pünktlich um 18 Uhr ging es für uns 1.000 Wanderer los und nach einem ersten 5 Kilometeranstieg liefen wir wie an einer Perlenkette aufgereiht auf der teilweise recht schmalen Saalehorizontale. Mit Sonnenuntergang erreichten wir nach 21km Verpflegungspunkt 1 und aßen unser Knackerbrötchen. Dass diese fettige Wurst unseren Magen bis Verpflegungspunkt 2 beschäftigte ahnten wir da noch nicht. Seine Wasserflaschen konnte man an allen Verpflegungspunkten wieder auffüllen. Und so ging es weiter durch die Nacht. Im Lichte der Stirnlampen wurden die Gespräche weniger, denn wir mussten uns auf die Streckenführung und die Wegbeschaffenheit konzentrieren. Verpflegungspunkt 2 erreichten wir bei Kilometer 43 und der Kaffee war der leckerste den ich je getrunken habe 😊.  Nachdem ich vor dem Start gefährdete Regionen der Füße abgetapt hatte, machte sich jetzt hier die erste Druckstelle/Blase sichtbar. Also ein Blasenpflaster drauf und nur nicht auf den Schmerz konzentrieren. So ging es gut gemeinsam weiter und gegen halb Fünf begrüßten uns die ersten Vögel und die Sonne ging auf. Während die Müdigkeit nie ein Problem war, waren wir froh die Lampen absetzen zu können und den Weg wieder zu sehen. Bis Verpflegungspunkt 3 bei Kilometer 65 dachte ich nicht nur einmal ans Aufgeben. Denn Dank nunmehr 2 Blasen war mir bewusst, es warten ggf. noch 10h Schmerzen auf mich. Wer will das schon?

Nach endlosen Kilometern baute uns aber der schöne Verpflegungspunkt  3 mit Nutellatoast, Waffeln und abermals Kaffee doch wieder auf. Meine Füße bekamen die nächste Schicht Blasenpflaster und Tape und weiter ging es. Die Sonne ließ uns dann doch etwas schwitzen und Verpflegungspunkt 4  wollte nicht kommen. Auf diesen Kilometern litten wir drei vor uns hin und Humor war dann nur noch ganz wenig im Spiel. Bei Kilometer 86 trank ich dann soviel Cola wie noch nie in 10 Minuten und auch die Fettbemmen schmeckten wunderbar. Und dann sind es nur noch 13 Kilometer. Klingt nicht viel- sind aber noch einmal 3 Stunden Fußschmerzen. Denn da ging es uns allen Drei gleich: Kondition, Krämpfe oder Kraft waren gar kein Problem – es waren einzig diese Füße!

Irgendwie schafften wir dann auch diese 13 Kilometer, wobei wir die letzten 5 Kilometer endlich auf der Straße hinunter nach Jena nur so dahinlatschten. Ein Abrollen des Fußballens oder ähnliches war nicht mehr möglich. Nach 24 Stunden und 12 Minuten erreichten wir dann zusammen das Ziel und waren nur froh, dass die Schmerzen vorbei waren. Genießen konnte da keiner mehr! Keine 90 Minuten später lagen wir in unseren Hotelbetten und schliefen.

Streckenführung auf der Saalehorizontale

Am nächsten Morgen beim Frühstück sah die Welt wieder besser aus. Der Stolz kam und auch der Humor hatte uns Drei wieder. Die größte Freude war, dass sich keiner ernsthaft verletzt hatte und wir es gemeinsam geschafft hatten! Von den 1.000 Startern kommen nur 2/3 ins Ziel und davon wieder nur 150 Frauen. Wir sind uns einig, dass es keiner Wiederholung bedarf! Eine interessante Challenge ist es allemal! Danke Jena!

 

Voraussetzung für Nachahmer:

 

        Kopf, Kopf, Kopf

        die Fähigkeit mit Blasen an den Füßen stundenlang weiterlaufen zu können

        eingelaufene Schuhe und Socken

 

Text: Sylvia Christoph
Foto: Sylvia Christoph